Tochter des Waldes, du Lilienverwandte,
so lang von mir gesucht, unbekannte,
im fremden Kirchhof, öd und winterlich,
zum erstenmal, o schöne, find ich Dich!
Von welcher Hand gepflegt du hier erblühtest,
ich weiß es nicht, noch wessen Grab du hütest,
ist es ein Jüngling, so geschah ihm Heil,
ist es eine Jungfrau, lieblich fiel ihr Teil.
Schön bist du, Kind des Mondes, nicht der Sonne,
die wäre tödlich – andrer Blume Wonne,
dich nährt, den keuschen Leib voll Reif und Duft,
himmlischer Kälte balsamsüßer Luft.
In deines Busens goldner Fülle gründet
ein Wohlgeruch, der sich nur kaum verkündet,
so duftete, berührt von Engelshand,
der benedeiten Mutter Brautgewand.
Dich würden, mahnend an das heilge Leiden,
fünf Purpurtropfen schön und einzig kleiden,
doch kindlich zierst du um die Weihnachtszeit,
lichtgrün mit einem Hauch dein weißes Kleid.
Der Elfe, der in mitternächtger Stunde
zum Tanze geht im lichterhellen Grunde,
vor deiner mystischen Glorie steht er scheu,
neugierig still von fern und huscht vorbei.
Im Winterboden schläft ein Blumenkeim,
der Schmetterling, der einst um Busch und Hügel
in Frühlingsnächten wiegt den samtnen Flügel;
nie soll er kosen deinen Honigseim.
Wer aber weiß, ob nicht sein zarter Geist,
wenn jede Zier des Sommers hingesunken,
dereinst von deinem leisen Dufte trunken,
mir unsichtbar, die blühende umkreist?